Cee Ieh-TEXT Nr. 2

„Für unsere Region ist dieser Aufstieg ein Hoffnungszeichen.“ plärrt Carl Zeiss Jena-Trainer Eberhard Vogel kruz nach dem Sieg gegen den FC Sachsen Leipzig in die Mikrophonenschar der Journaille, wohlwissend, daß seine Mannschaft heißer Abstiegskandidat der neuen Saison ist.

Schamie Schämie
Zwei Stunden später ist in Leutsch der Raggamuffin los, der Bus mit einer niedergeschlagenen Chemie-Elf trifft im Alfred-Kunze-Sportpark ein, und eine Allianz von volltrunkenen Skinheads bis zum weinglasnippenden Medienwissenschaftsstudent empfängt euphorisch die etwas verschüchterten Spieler. Als Außenstehender könnte man denken, jene Mannschaft ist heute aufgestiegen.

Noch ein Vergleich. Nach einer spannenden Saison mit einem blassen Auftseiger haben durchschnittlich 4.500 Besucher die Spiele des FC Sachsen gesehen, in Jena dagegen nur 2.500, zum Spitzenspiel gegen Tennis Borussia kamen gerade mal 4.000, darunter 50 zahlende Chemie-Hooligans.

Warum diese Ungerechtigkeit? Fehler - vor allem in der Vergangenheit - sind im eigenen Verein gemacht worden. Bus-Unternehmer Hecht häufte mit seinem verweichlichten Verhalten gegenüber den Spielern einen Schuldenberg von fast 3 Millionen DM an, der nach einem Vergleich mit den Gläubigern halbiert wurde und so jetzt noch Monat für Monat 25.000 DM kostet. Professor Krauspe - keine Ahnung, was der eigentlich macht - versäumte schon mal die Unterlagen für das Lizenzierungsverfahren an die DFB-Zentrale zu schicken. Er ist noch heute im Verein angestellt, in der freien Wirtschaft und in der Politik undenkbar.

Die Saison 94/95 sollte anders werden. Zwei nicht ganz leichte Unternehmer wollten mit ihrem Geld - eher zuwenig gezahltem Lohn - den FC Sachsen aufsteigen lassen. Top-Spieler wurden geholt, ein Stadtmagazin für posotive Berichterstattung gekauft, die Fensterrahmen des Vereinshauses geweißt. Bis zum Spiel in Erfurt lag man sehr gut im Rennen, oft auf Platz 1, doch gegen vermeintlich schwächere Gegner wurden Punkte eingebüßt bzw. das Torverhältnis marginalisiert betrachtet, und gegen Mitkonkurrenten verlor man in der Regel. So kam es am letzten Spieltag zu einem schon entschiedenen Finale in Jena. Bis zum ersten Tor plätscherte das Spiel, wie der Inhalt der bereitstehenden Wasserwerfer. Doch nach dem Elfmeterpfiff ging die grün-weiße Post ab. Besoffene Chemie-Fans torkelten ins Stadioninnere, schlecht koordinierte Polizeigruppen versuchten mit äußerst brutalem Vorgehen der Situation Herr/Dame zu werden, Hooligans beider Mannschaften nutzten die Gelegenheit, um aufeinander einzudreschen, kurz gesagt: Das Pöbel und Gesocks war bei seiner Arbeit. Das Spiel soll Jena mit 4:1 gewonnen haben. Chemie Leipzig bleibt damit weiter in der Regionalliga Nordost.

Leipzig Leutzsch
Wie wird es bei dem Leipziger Kultverein weitergehen? Cie beiden übriggebliebenen Boulevardzeitungen wetteifern um die besten apokalyptischen Versionen, doch am Ende wird alles beim Alten bleiben. Mit einer Rumpfmannschaft und neuen jungen Talenten aus dem Leipziger Tiefland wird Chemie in der neuen Saison im oberen Mittelfeld sich für Höheres in der zukunft empfehlen, als Aufstiegskandidat kommen nur der Zonenclub Nr. 1 - wie heißt er wohl? - und Tennis Borussia in Frage. Ob wieder so viele Zuschauer kommen werden, hängt in erster Linie von der Mannschaft ab, kämpferische Momente werden wohl wieder überwiegen, wie in erfolgreichen, aber lange vergangenen Jahren. Auch die Fanbetreuung liegt derzeit noch im Argen. Gegen Jena wurden nicht einmal Fanbusse bereitgestellt, das Fanturnier erlebte einen blassen Rahmen, Chemie-Hooligansgruppen haben einen enormen Zulauf, das Merchandiseangebot ist unattraktiv und das Stadion ist baufällig.

Es gibt also viel zu tun, in Leutzsch, auch für Antifa-Gruppen, denn die gesamte Leipziger Faschoszene hängt dort allzuoft bei Spitzenspielen ab. Vor allem beim Spiel gegen Türkiyemspor krochen die Bierbäuchlifaschos aus ihren Gohliser Stammkaschemmen, Türkiyemspor ist ja nun abgestiegen, aber die Faschos sind noch da.